Sebastian Höpfner, Sommelier Restaurant Français des Hotels Steigenberger Frankfurter Hof und Christian Dautel, Geschäftsführer des Weingutes Dautel, über das Verweilen auf Weingütern, die Philosophie der Winzer und das Schwierige am Weingeschäft
Wein ist für Sie ein lebendiges Thema. Wie entstand Ihre Passion dazu?
Meine Passion für Wein entstand nach meiner Ausbildung im Brandenburger Hof in Berlin im Gourment Restaurant „Die Quadriga“. Dort präsentierten wir eine der besten Deutschen Weinkarten. Alle 13 Anbaugebiete mit einer Breite und Tiefe im Keller, die ich seitdem eigentlich so gar nicht mehr gesehen habe, bezogen auf den deutschen Wein. Durch meine beiden Mentoren, Maitre Annekatrin Simon und Direktor Markus Graf, die mich in die deutsche Weinwelt eingeführt haben und der damit verbundene enge Kontakt zu den Winzern (u.a. Weingut Stigler aus Baden, Clemens Busch von der Mosel oder Theresa Breuer aus dem Rheingau) entstand meine Leidenschaft zum Wein und besonders zum Deutschen Wein.
Sie besuchen in Ihrer Freizeit Weingüter. Wie viele und welche Weingüter besuchten Sie in den letzten Jahren?
Von den üblichen Verkostungen auf den Weingütern abgesehen, habe ich im Sommer dieses Jahres, auf dem Weingut von Christian Dautel in Württemberg eine Woche mitgewirkt. Ein besonderes Highlight ist natürlich immer die Lese; hier durfte ich Anfang Oktober in der Steillage der Mosel bei Clemens Busch mitarbeiten.
Wie lange verweilen Sie auf einem Weingut und wie sieht ihr dortiger Tagesablauf aus?
Hier muss ich natürlich immer darauf achten, wie ich meinen Aufenthalt mit meiner Tätigkeit im Restaurant vereinen kann. Aber grob überschlagen, versuche ich immer gerne eine Woche bei den Winzern zu sein. So dass genug Zeit für einen kompletten Einblick ist, aber ebenso möchte ich in dieser Zeit den Winzer auch effektiv unterstützen. Ansonsten passt man sich natürlich voll und ganz der Taktung des Winzers an. Morgens früh im Berg, nachmittags ggf. im Keller und das Schönste ist natürlich am Abend das Probieren mit dem Winzer. Im Gespräch erfahre ich sehr viel von der Idee und der Philosophie des Winzers und seiner Weine.
Sie beschäftigen sich viel mit der Philosophie der Winzer. Was ist für Sie das Faszinierende an der Winzer-Philosophie?
Dass hier sehr weit im Voraus gedacht und gehandelt werden muss. Im Restaurant habe ich die direkte Reaktion des Gastes. Der Winzer muss ja manchmal Jahre auf die Resultate warten, ob seine Maßnahmen sich so auf den Wein auswirken, wie gewünscht. Zum Beispiel: der Ausbau von Weinen im Beton oder das Arbeiten mit längeren Maische Standzeiten, die Anschaffung von speziellen Pressen, die wiederum Einfluss auf die kommenden Weine nehmen oder dass durch punktuelle Maßnahmen der komplette Wein über Jahre hinweg beeinflusst wird und das man hier erst nach Jahren das Ergebnis sieht.
Sie haben bereits einige Generationenwechsel auf Weingütern beobachten können. Was ist das Spannende an der jungen bzw. neuen Generation?
Die junge Generation hat heute die Möglichkeit weltweit unterwegs zu sein; zum Beispiel in Südafrika, Australien, Südamerika, Bordeaux etc. Viele andere Ideen, Einflüsse und Methoden im An- und Ausbau aus den Gebieten können Einfluss auf den Wein nehmen, daraus können sich gute Ideen entwickeln. Diese Erkenntnisse lassen sich dann hervorragend mit der Tradition vom Familien-Weingut und den hiesigen Gegebenheiten verbinden. Diese Kombination von Moderne, internationalem Einfluss und der Bewahrung von Tradition setzt neue Energien auf den Weingütern frei.
Frage an Christian Dautel, Geschäftsführer Weingut Dautel: Auch Ihr Weingut hat Herr Höpfner kennengelernt. Seit wann haben Sie die Führung für das Weingut Dautel übernommen?
Nach meinem Auslandsstudium in Bordeaux bin ich im Jahr 2010 in das elterliche Weingut eingestiegen und seither für die Weine verantwortlich. 2013 habe ich das Weingut übernommen.
Können Sie Ihren Winzeralltag beschreiben?
Da wir ein kleiner Familienbetrieb sind, ist Vielseitigkeit eine der wichtigsten Winzereigenschaften. Ich springe oft direkt aus den Gummistiefeln in den Anzug. Einerseits bin ich in den Weinbergen und arbeite an den Reben. Da ist viel Handarbeit gefragt, gleichzeitig muss ich mich mit Traktoren und Weinbautechnik auskennen. Natürlich bin ich jeden Tag im Keller, überprüfe die Weine im Fass und baue sie aus – das ist die klassische Arbeit eines Kellermeisters. Nebenher ist es wichtig, den Arbeitsalltag mit meinen Mitarbeitern zu koordinieren und den Betrieb zu organisieren. Da fällt einfach alles an: Vom Emails schreiben, über Bestellungen bearbeiten, bis hin zur Vorbereitung von Messen und Veranstaltungen. Der Kundenkontakt macht mir viel Spaß – ich freue mich, unsere Weine den Kunden zu präsentieren und bin gespannt auf die Reaktionen. Das findet oft im Anzug bei Abendveranstaltungen in Spitzenrestaurants statt.
Was ist das Schwierige am Weingeschäft?
Die Weinbereitung braucht viel Weitsicht und Erfahrung: Als Winzer habe ich, auf die Lebensspanne gerechnet, ungefähr dreißigmal die Möglichkeit, einen großartigen Wein herzustellen. Dabei ist jedes Jahr anders. Die Kunst liegt darin, den Jahrgang richtig zu interpretieren und entsprechend zu reagieren: die Trauben richtig zu behandeln und auszubauen. Wenn ich jetzt einen Rotwein vinifiziere, habe ich in vielleicht zwei Jahren ein erstes Ergebnis, das mir eine Vorahnung über den Wein gibt. Nochmal acht Jahre später ist der Wein auf seinem Höhepunkt. Das bedeutet, dass ich erst nach zehn Jahren das endgültige Ergebnis meiner Entscheidungen verkosten kann.
Sebastian Höpfner