Axel Hörger, heutiger Europa-CEO Lombard International und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der UBS Deutschland AG, im Interview mit den Buchautoren Kai Anderson und Jane Uhlig für „Das agile Unternehmen – Wie Organisationen sich neu erfinden“ (Campus Verlag)
ANDERSON: Bis Ende März waren Sie in Amt und Würden als Vorstandsvorsitzender UBS AG Deutschland. Als Sie 2011 das Amt übernahmen, waren die Rahmenbedingungen anders als zwei Jahre später. Mit welchem Auftrag sind Sie angetreten?
HÖRGER: 2011 standen die Finanzzentren immer noch unter dem Druck der Finanzmarktkrise. Die Rahmenbedingungen für das zukünftige Geschäftsmodel waren noch nicht ganz ausgereift. Zwei Jahre später befanden sich viele Änderungen der Banken in der Umsetzung. In diesem Spannungsfeld war es meine Aufgabe, die Bank in Deutschland neu auszurichten, sie teilweise zu restrukturieren und effizienter aufzustellen. Es ging um globale Themen – wie die verschärften Eigenkapitalanforderungen, die erhöhten Liquiditätserfordernisse oder auch deutsch spezifische Themen. Die neuen Ziele sollten umgesetzt werden. Aber auch Vertrauensaufbau bei Kunden und Mitarbeitermotivation standen auf der Tagesordnung.
INTERVIEWER: Trotzdem war ja zu Beginn der 90-ziger das Zeichen eher auf Expansion, oder?
HÖRGER: Stimmt. Viele Banken, so auch die UBS, hatten eine klare Wachstumsstrategie. Diese haben wir auch in Deutschland verfolgt; speziell in der Betreuung privater Kunden im sogenannten Wealth Mangement. Die Krise hat allerdings zu starken Verwerfungen bei Banken geführt und nicht mehr alle Banken konnten an der Wachstumsstrategie festhalten. Die Frage nach dem Geschäftsmodell musste als erstes beantwortet werden.
UHLIG: Wie wurde das neue Geschäftsmodell entwickelt?
HÖRGER: Die UBS hat sich neu positionieren müssen. Das Investment Banking wurde restrukturiert und der Fokus wieder auf die Betreuung von vermögenden Kunden gelegt. Im Wealth Management liegen ja die Wurzeln der Bank und es lag nahe, diesen Geschäftsbereich wieder in den Mittelpunkt zu stellen.
ANDERSON: Sie waren vor der UBS als Investment Banker tätig. Dem Investment Banking wurde viel Innovation, ob positiv oder negativ, zugesprochen; den übrigen Finanzdisziplinen eher weniger, um ganz pauschal zu sein. Wo und wie entstehen denn wirklich positive Innovationen. Den großen Institutionen wird nachgesagt, die Digitalisierung zu verschlafen. Wie gefährlich sind Startups und neue Geschäftsmodelle für die etablierten Spieler im Finanzbereich – unter dem Gesichtspunkt der Agilität?
HÖRGER: Im Kontext der Banken, bedeutet die Digitalisierung, dass sich die Verhaltensmuster der Kunden verändern. Es wird eine andere Art der Interaktion zwischen Kunden und Bank bevorzugt, möglichst bequem und schnell mit mobilen Geräten. Der Druck der Digitalisierung kommt nicht mehr aus dem Finanzgeschehen am Markt, sondern durch das Internet und sehr leistungsfähige mobile Geräte; und er findet hier durch den Endkunden, den Akteuren im Internet und den Herstellern moderner Kommunikationsgeräte statt.
ANDERSON: Verschlafen die Banken diese Entwicklung?
HÖRGER: Nein. Aber die Veränderungswelle wurde lange Zeit unterschätzt. Die Banken arbeiten nun mit Hochdruck an Antworten auf diese Herausforderung.
ANDERSON: War das Teil der UBS-Strategie – also Invest in durchaus zukunftsfähigen Startups und in neue Geschäftsmodelle?
HÖRGER: Die UBS ist bei dem Thema Digitalisierung ganz gut aufgestellt, sowohl intern als auch in der Kommunikation zum Kunden. Das ist aber ein dynamischer noch nicht abgeschlossener Prozess. Es war bislang nicht die Strategie der Bank, in ein Portfolio aus Start Ups zu investieren.
ANDERSON: Jetzt sind Sie zumindest mal aus dem klassischen Bankengeschäft vorerst heraus. Wenn Sie die Möglichkeiten hätten, ein neues Finanzinstitut auf die Beine zu stellen, wie würde das aussehen?
HÖRGER: Nehmen wir mal den Zahlungsverkehr, den wird man bestimmt in Zukunft auf breiter Front digital abwickeln können, vom Bezahlen des Getränkes in Cafes bis hin zu Überweisungen etc. Das Kreditgeschäft steht bei Kleinkrediten vor einer ähnlichen Herausforderung. Tendenziell werden wir auch wohlhabender und es wird weiter Bedarf geben, diesen Wohlstand gut zu managen, sei es in der Vermögensberatung oder in der -verwaltung.
ANDERSON: Das heißt, wenn Sie die Wahl hätten, Beratung vs. Basisgeschäft, auf was würden Sie setzen?
HÖRGER: Diese Frage stellt sich für mich nicht. Am Anfang steht immer eine faire, nachvollziehbare Beratung; egal in welchem Geschäftsbereich. Das man danach bei der Anwendung in Produkte investiert bzw. investieren lässt bspw. durch einen Anlageprofi, ist doch kein Widerspruch. Die Frage ist doch eher, vertrauen sich die Partner oder nicht?
UHLIG: Können Sie greifbar erklären, was Vertrauen dabei bedeutet?
HÖRGER: Vertrauen baut sich über Zeit auf. Natürlich wird Kompetenz vorausgesetzt. Die Interaktion mit dem Kunden ist keine lokale mehr. Sie ist global, sehr schnell und komplex. Es gilt aber auch in Krisen weiterhin mit dem Kunden in Interaktion zu bleiben, um Transparenz zu schaffen und Lösungen vorzuschlagen.
UHLIG: Der klassische Banker hat einen Imageverlust. Worin sehen Sie die Gründe?
HÖRGER: Ich denke es liegt daran, dass den Bankern eine hohe Kompetenz auf einem sehr komplexen Gebiet zugesprochen wurde. Ein Gebiet, das uns alle berührt. Solange alles gut geht und wir davon profitieren, solange lassen wir das System nicht nur zu, sondern wir fangen an es zu bewundern. Wir akzeptieren auch Spezifika, die wir nicht unbedingt verstehen. Geht etwas schief, dann kehren wir diese Bewunderung um. Vor allem, wenn die Erklärungen auf sich warten lassen. Noch schlimmer wird es, wenn nicht ethisches- oder kriminelles Handeln vorliegt. Da wird dann nicht mehr differenziert zwischen den vielen Bankern, die einen guten, sauberen Job machen und den wenigen, die das eben nicht tun.
ANDERSON: Haben Sie es in der Phase 2011 bis 2015 geschafft, diese Differenzierung in die Organisation zu bringen?
HÖRGER: Wir haben unsere Probleme in der deutschen Organisation, aber auch übergreifend bei der Mutterorganisation immer offen besprochen. Immer mit dem Ziel, die Probleme, so schnell wie möglich zu adressieren und abzustellen. Regeln haben wir transparent gemacht. Darüber hinaus haben wir auch offen über den Status Quo der Ziele gesprochen.
ANDERSON: Für alle sichtbar…
HÖRGER: Ja, für alle sichtbar und der Aufsichtsrat wurde entsprechend informiert.
ANDERSON: Und die Mitarbeiter?
HÖRGER: Auch die Mitarbeiter.
UHLIG: Haben sich die Mitarbeiter unter Ihrer Führung wohlgefühlt? Würden Sie sagen, dass Sie ein guter Chef waren?
HÖRGER: Sicherlich haben sich nicht alle Mitarbeiter wohlgefühlt. Aber, ich habe immer versucht, die Mitarbeiter für die gemeinsame Sache zu gewinnen. Man kann allerdings auf solch einer Reise nicht alle mitnehmen. Die Bank heute hat andere Akzente als vor 10 Jahren. Nicht jeder kommt damit zurecht.
UHLIG: Wenn Sie noch einmal die Möglichkeit hätten, bei der UBS anzufangen, was würden Sie anders machen?
HÖRGER: Wahrscheinlich auf meine gemachten Erfahrungen aufbauen und versuchen, Fehler nicht zu wiederholen.
UHLIG: Welches Lernmomentum gab es für Sie in Sachen Führung?
HÖRGER: Noch mehr Fragen stellen und noch mehr zuhören. Auf Mitarbeiter, aber auch Kunden zugehen und einfach fragen, wie es um die Organisation bestellt ist. Aber auch Vorschläge und Perspektiven erfragen und mehr einfordern.
ANDERSON: Im Ergebnis besser?
HÖRGER: Das weiß man vorher nie. Aber weniger Überraschungen.
UHLIG: Wie wird man denn CEO?
HÖRGER: Ich wurde gefragt. Bei mir war das der damalige Group CEO der Bank, Oswald Grübel.
UHLIG: Welche Rolle spielte Glück dabei?
HÖRGER: Glück spielt dabei keine Rolle.
ANDERSON: Sie bleiben ja der Branche grundsätzlich treu, Sie haben von dem Spaß erzählt, den die Märkte machen, der Spaß, den die Akteure machen und die Intelligenz, die mit drinsteckt. Das wird Sie auch weiter beschäftigen, Sie begeben sich nie aus dem System heraus…
HÖRGER: Ich habe mich in den letzten Jahren als sehr privilegiert betrachtet. Die Kapitalmärkte und die Akteure sind dauerhaft spannend. Aber auch der Einfluss an Informationen auf unsere Gesellschaft und das politisches Handeln. Ich könnte mit Ihnen den ganzen Tag darüber sprechen so viel Spaß macht es. Aber: Ich bin ein sehr breit interessierter Mensch. Es gibt auch andere Tätigkeitsfelder, die ich spannend finde.