Um das Scheitern wird ein Kult betrieben, seit im Silicon Valley Multimilliardäre auf die Idee kamen, ihren Erfolg mit ein paar Brüchen zu schmücken
Klaus Boldt, Bilanz-Chefredakteur, Axel Springer SE, im Interview mit Jane Uhlig für „Das agile Unternehmen – Wie Organisationen sich neu erfinden“ (Campus Verlag) von den Buchautoren Kai Anderson und Jane Uhlig. Bilanz ist ein führendes Schweizer Wirtschaftsmagazin, dass alle 14 Tage erscheint.
UHLIG: Sie gehören zu den Veränderungsjournalisten Deutschlands. Als Sie sich selbst veränderten, haben Sie nicht nur das Magazin gewechselt, sondern auch ein neues Wirtschaftsmagazin gemeinsam mit Arno Balzer erschaffen. Mit dem Ziel, Wirtschaftsjournalismus zukunftsfähig zu gestalten. Wie ist die Idee „Bilanz Deutschland“ entstanden?
BOLDT: Der Axel-Springer-Verlag ist seit vielen Jahren an der Schweizer Bilanz beteiligt. Sie sind Marktführer dort, arbeiten in Zürich. Eine hervorragende Redaktion, ein ganz tolles Blatt. 2013 hat man sich die naheliegende Frage gestellt: Warum exportieren wir Bilanz nicht? Es ist eine starke Marke, sie verfügt über einen starken Namen und besitzt einen gewissen Retro-Charme. „Bilanz“ ein zentraler Begriff der Wirtschaft, ja mehr noch: ein zentraler Begriff des Lebens. Viel besser als etwa das Wort Kapital, das ja auch von einer Zeitschrift genutzt wird. Also, „Bilanz“ steht für modernen Inhalt und einen traditionellen, grob-kernigen Markenkern. Als sich Springer 2013 für die Einführung der Bilanz in Deutschland entschied, lebte ich noch in New York.
Uhlig: Arno Balzer war jahrelang Chefredakteur des Manager-Magazins.
BOLDT: Das ist richtig, und zwar sehr erfolgreich. Aber die Strukturkrise des Mediengewerbes, die vor allem Druckerzeugnisse und unter ihnen die Wirtschaftspresse erfasst hatte, verschonte auch den Spiegel-Verlag nicht, zu dem das Manager Magazin gehört. Die Folge war, dass Verlag und Redaktion des Manager Magazins bei Angelegenheiten von großer Tragweite nicht immer derselben Meinung waren. Zumindest war es so zu lesen und zu hören. Die Spannungen wuchsen, und am Ende stand die Trennung.
UHLIG: Was ist bei Bilanz anders – im Vergleich zum Manager Magazin? Ihr Slogan lautet „Die Bilanz lohnt sich immer“. Haben Sie etwas Neues erschaffen, mit dem was Sie zukunftsfähigen Journalismus nennen?
BOLDT: Lassen Sie mich dazu etwas ausholen. Ich habe von 2001 – mit einer kurzen Unterbrechung – bis Ende Januar 2014 in den USA gelebt. Rückblickend erscheinen mir vor allem drei Dinge bemerkenswert: Die Amerikaner gehen das Leben, die Geschichten, die es schreibt, und die Prüfungen, die es bereithält, in der Regel ehrlicher, unmittelbarer und manchmal auch mutiger an als man es in Deutschland gewohnt ist; der Respekt vor dem Berufsstand der Journalisten ist dort, trotz des Niedergangs vieler Medien, ausgeprägter als hierzulande und darüber hinaus tief verwurzelt in der Alltagskultur des Landes, etwa in Filmen wie „Network“, „Kill the Messenger“, „The Insider“, „State of Play“ und natürlich „All the President’s Men“. Zu diesen beiden Eindrücken kommt der dritte, ein Klischee, das keines ist: die Lust auf Veränderung, die Bereitschaft und die Fähigkeit sich zu verändern. Die Leute schauen nach vorne und nicht ständig in den Rückspiegel. Auch ich vermag keinen Vorteil darin zu finden, das gesamte Berufsleben bei nur einem oder zwei Arbeitgebern zu verbringen. Und wenn ich fünfzehn Jahre jünger wäre und wüsste, was ich heute weiß, dann würde ich noch nicht einmal einen Vorteil darin erkennen können, sein ganzes Leben lang nur einen einzigen Beruf auszuüben. Kurz gesagt, die Lust auf Veränderung und auf Risiko war ein ganz wichtiger Antrieb, sowohl für mich als auch für Springer: Denn ein weitgehend werbefinanziertes Magazin herauszubringen angesichts wegbrechender Werbeeinnahmen noch dazu in einem Segment, dass besonders umkämpft ist – das war schon sportlich. Umso besser, habe ich gedacht: Das macht ja richtig Spaß, man kann wenig verlieren, aber sehr viel gewinnen. So gut die Wirtschaftspresse in Deutschland ist, gibt es doch viel, was man anders und besser machen kann. Thematisch, erzählerisch, optisch. Der Tatsache, dass immer mehr Frauen eine bedeutende Rolle in der Wirtschaft und Unternehmen spielen, tragen wir zum Beispiel auch dadurch Rechnung, dass wir nicht so mann- und managerhaft daherkommen wie andere Wirtschaftsblätter.
UHLIG: Das heißt, Sie wollen, die Wirtschaftspresse weiblicher machen?
BOLDT: Wir haben den großen Vorteil, dass wir keine jahrzehntealte Stammleserschaft bedienen müssen. Das verschafft uns große inhaltliche und thematische Freiheiten. Den typischen Bilanz-Kunden gibt es nicht. Das heißt, wir müssen und dürfen auch keine Stereotypen bedienen – ob männlich oder weiblich. Insofern als wir etwas verspielter, moderner, heiterer sind als unsere Konkurrenten, sind wir vielleicht automatisch auch attraktiver für Frauen unter unseren Lesern. Während viele Titel bei ihrem Layout Wert darauf legen, männlich und knackig zu wirken mit vielen Fettungen, Balken und Effekten, spielte das für uns überhaupt keine Rolle. Im Gegenteil. Auch aus diesem Grunde habe ich im vergangenen Jahr für die Artdirektion eine Frau gesucht, die ihr Berufsleben eben nicht in der Wirtschaftspresse verbracht hat und keiner dieser alten Hasen aus der Gilde war und Katja Kollmann gefunden vom branchenfremden Zeit-Magazin. Sie ist, glaube ich, die meistprämierte Art-Direktorin im Land. Und wenn man Bilanz sieht, erkennt man auch, dass unser Layout viel breiter, moderner, jünger und weiblicher ist als das Erscheinungsbild der Konkurrenz.
UHLIG: In Managermagazinen werden ja hauptsächlich Männer interviewt. Wie machen Sie das für Bilanz – kommen bei Ihnen auch Frauen zu Wort?
BOLDT: Wir würden gerne noch viel mehr Geschäftsfrauen und Managerinnen zu Wort kommen lassen – wenn es mehr von ihnen gäbe. Bilanz ist das Forum für Führungskräfte, unsere Stories über Unternehmen drehen sich in aller Regel um das Geschehen auf Vorstandsebene. Frauen spielen dort bisher leider selten eine hervorragende Rolle. Anders sieht es in der Gründerszene aus, über die wir intensiv berichten. Hier haben Frauen einen deutlich höheren Stellenwert und mehr Einfluss, wenngleich meiner Meinung nach auch immer noch nicht jenen, der ihnen zukommt.
UHLIG: Liegt es daran, dass Unternehmen männlich aufgebaut und geführt wurden? Das ist ja so etwas wie ein männliches Führungsgen, das die Unternehmen durchdringt. Alle Unternehmen, die großen Konzerne, seit der Industrialisierung und vorher, sind von Männern aufgebaut worden…
BOLDT: Es gibt viele Gründe. Dies ist einer von ihnen. Auch die Tatsache, dass die deutsche Wirtschaft die Blüte ihrer Gründerzeit in den Wirtschaftswunderjahren hatte, die von Männern dominiert wurde, spielt eine gewisse Rolle. Zudem ist sie geprägt von eher männlich dominierten Branchen wie dem Maschinen- und Anlagenbau oder der Autoindustrie. In diesem Milieu gedeiht, was ich als aufgeklärten Machismo bezeichnen würde: Man hat in der Regel nichts gegen Frauen in der Führung einzuwenden, unternimmt aber auch nichts, um ihnen zumindest faire Chancen einzuräumen. Wenn Frauen in Vorstände einrücken, dann vertraut man ihnen häufig das Personalressort an, in der Annahme wohl, dass es erstens das unwichtigste sei und dass Frauen zweitens mit besonderen Fähigkeiten auf dem Gebiet des Einfühlungsvermögens ausgestattet seien.
UHLIG: Welche Botschaften möchten Sie vermitteln? Sie sagten, Sie stellen sich weiblicher dar, aber welche Botschaften möchten Sie an Ihre Leser, an die Unternehmen und an die CEOs vermitteln?
BOLDT: Unsere Kernzielgruppe sind die Entscheider in der Wirtschaft. Wir wollen gelesen und ernst genommen werden von den Führungskräften der bedeutendsten und größten deutschen Unternehmen, von den Meinungsführern der Industrie. Aber ein Journalist sollte nie nur 10.000 Leser erwarten, sondern 100.000 oder eine Million. Dies entspricht auch ungefähr der Menge der Leser, die wir als Supplement der „Welt“ erreichen. Unser Publikum ist sehr viel größer als jenes der klassischen Wirtschaftspresse, seine Ansprüche sind viel facettenreicher und seine Erwartungen viel diffuser. Unsere Leser gehören nicht zu jenen Wirtschaftsinteressierten, die zum Kiosk marschieren und fünf oder acht Euro für ein Wirtschaftsmagazin bezahlen. Deshalb sind die Anforderungen an uns sehr viel höher: Denn wir können und dürfen vielfach kein Fachwissen voraussetzen, ja noch nicht einmal ein brennendes Interesse für Fragen der Wirtschaft im Allgemeinen oder an einer Geschichte über BASF oder Thyssen-Krupp im Besonderen. Das heißt, wir müssen versuchen, einerseits die Menschen für Wirtschaftsjournalismus zu begeistern, die sich aus freien Stücken vielleicht niemals ein Wirtschaftsmagazin kaufen würden, und andererseits die Gegenstände der Berichterstattung nicht zu banalisieren. Denn das würde uns unsere Kernzielgruppe nicht verzeihen. Wir müssen Wirtschaftsjournalismus bieten, der sich an gebildete Menschen wendet, die intelligent unterhalten werden wollen.
UHLIG: Sie haben schon immer viele CEOs interviewt. Unser Thema ist Veränderungsfähigkeit von CEOs und von Unternehmen. Was macht für Sie einen richtig guten CEO aus und wer ist Ihr Lieblings-CEO?
BOLDT: Einen guten Unternehmensführer zeichnet das aus, was Karl Popper als „common sense“ bezeichnet hat – also der gesunde Menschenverstand. Eine erfolgversprechende Stragtegie zeichnet aus, was auch eine gute Idee auszeichnet: Sie ist klar und einfach und dadurch für die Mitarbeiter nachvollziehbar. Ich habe sicherlich keinen „Lieblings-CEO“, aber ich verbinde sehr gute Erinnerungen mit dem verstorbenen Robert Louis Dreyfus, der zwischen 1994 und 2001 Adidas geführt hatte. Er war ein gewiefter Geschäftsmann, mit allen Wassern gewaschen, gleichzeitig außerordentlich unkompliziert und uneitel und ein netter, sympathischer Kerl, der wenig auf Dienstränge gab. Das hat mich beeindruckt. Seine Leute haben sich für ihn wirklich ins Zeug gelegt.
UHLIG: Journalisten haben mitunter eine große gesellschaftliche Wirkung. Wie können Journalisten zur Veränderungsfähigkeit von Unternehmen beitragen?
BOLDT: Journalisten haben nicht die Aufgabe, zum Wohle eines Unternehmens oder zu seiner Veränderungsfähigkeit beizutragen, sondern ihre Leser zu informieren und zu unterhalten, für Transparenz zu sorgen und Missstände aufzudecken. In einer aufgeklärten, offenen Gesellschaft wird jedes Unternehmen sehr schnell feststellen können, dass es in seinem eigenen Interesse ist, veränderungsbereit zu sein. Ob die Unternehmen, über die wir schreiben, sich verändern oder nicht, steht für mich nicht im Vordergrund. Ich wünsche ihnen und ihren Beschäftigten, dass sie es sind. Wenn sie es aber nicht sind, dann ist es eben so. In diesem Fall würde ein schlechtes Management durch ein gutes ersetzt. Und wenn ein Unternehmen sogar Bankrott geht, weil es sich nicht verändern kann, dann ist es umso besser: Denn sein Untergang schafft Platz für ein neues, besseres Unternehmen. Das ist doch gerade die Eleganz des Systems: Die Notwendigkeit, Gewinne zu erwirtschaften, führt notwendigerweise dazu, dass das Geld in die Hände der besten Leute kommt. Privates Unternehmertum unterliegt den Gesetzen von Gewinn und Verlust. Erfolg hat nur, wer anderen nutzt und etwas verkauft, was andere brauchen. Vorausgesetzt natürlich, dass der Markt funktioniert und Wettbewerb herrscht.
UHLIG: Ich habe neulich den Spiegel wirklich von vorne bis hinten gelesen und habe gedacht: Oh Gott, ich werde depressiv … negative Themen, sehr lange Berichterstattung, manchmal fünf Seiten Reportagen… Die positiven Beiträge kommen zu kurz. Wenn man sich heutzutage ein Medium wie Facebook anschaut, dann sieht man die Sehnsucht nach positiven Nachrichten. Das zeigen schon, die Reaktionen von Facebook-Freunden auf Beiträge.
BOLDT: Das ist kein Manko der Medien, sondern ein Manko der Menschen und Welt: Tausend Berichte über tausend Vulkane, die nicht ausgebrochen sind: Das interessiert niemanden. Zum Glück! Es wäre schlecht um Erfindungsgabe, Neugier, Abenteuerlust und Pioniereist bestellt, wenn Meldungen über korrekt arbeitende Wasserhähne genau so viel Interesse fänden wie jener eine übers geplatzte Wasserrohr. Der „Spiegel“ ist, meiner Meinung nach, doch sehr viel zuversichtlicher und freundlicher geworden in den vergangenen Jahren. Allerdings fehlt den tatsächlich griesgrämigen Texten der Pfiff und die Heiterkeit früherer Tage. Wie herzlich konnte man sich freuen über die Verrisse eines Klaus Umbachs oder fröhlich schaudern über die unbarmherzigen Seelenschauen eines Jürgen Leinemanns. Für mich ist der Spiegel immer noch das in der Breite bestgeschriebene Medium in Deutschland. Aber selbst ihre notorisch schlechte Laune verbreiten die Hamburger heute ohne rechte Freude. Auch eine kritische oder böse Geschichte muss dem Leser Spaß bereiten. Gerade die, möchte ich sagen. Und häufig gelingt uns dies auch wie in unseren Stücken über Siemens oder Eon. Der Leser mag es nicht, wenn der Journalist die Dinge zu persönlich nimmt und über die schlechte Managemententscheidung, über die er schreibt, womöglich noch beleidigt ist. Ich versuche darüber hinaus, dass nicht nur Journalisten aus der Wirtschaftsfakultät bei uns schreiben, sondern dass die Bilanz eine Bühne ist, auf der viele Stimmen zu Wort kommen. Ein Feuilletonist wie Matthias Matussek hat für uns den ehemaligen Bahn- und BER-Chef Hartmut Mehdorn interviewt und den Philosophen Peter Sloterdijk, der Sportreporter Philipp Selldorf große Porträts geschrieben über den Fleischfabrikanten Clemens Tönnies und den früheren Bayer-Vorstand und heutigen Präsidenten des 1. FC Köln, Werner Spinner. Man muss das Neue schon wirklich wollen. Nehmen wir einmal an, dass ein Politikredakteur, ein Feuilletonist oder ein Sportjournalist über den Managementstil von VW-Chef Martin Winterkorn schriebe: Ein jeder von denen würde anders, vielleicht scharfsichtiger, auf jeden Fall aber überraschender an das Thema herangehen als ein Journalist, der seit 30 Jahren nichts anderes macht als die Führungsfähigkeiten von VW-Chefs zu begutachten. Ich glaube, es tut dem Wirtschaftsjournalismus ganz gut, wenn man das ein bisschen mischt.
UHLIG: Vielleicht steigt ja mit positiven Themen auch wieder die Beliebtheit dieses Berufsstandes.
BOLDT: Ach, wissen Sie, ich gebe auf diese Umfragen nicht viel. Und zumindest unter Journalisten selbst sind Journalisten ja unglaublich angesehen, wenn man sich anschaut, wie begeistert sich viele von ihnen selbst vermarkten, für wie wichtig sie sich grundsätzlich halten und wie ausdauernd sie über ihre Befindlichkeit schwätzen, sowohl in Sozialen Netzwerken als auch in Zeitungen oder Fachzeitschriften. Mit nichts scheinen Journalisten sosehr befasst zu sein wie mit sich selbst. Als besonders zugkräftig gilt die Verkaufe als „Investigativ-Journalist“, die selbsternannten Sonderermittler und Spezialkommandos der Gilde, die angeblich über besondere Kontakte verfügen und ein schärferes Wahrnehmungs- und Urteilsvermögen – und die in Wahrheit doch nichts anderes tun als der Kollege in Kassel oder Ingolstadt, der seinen Beruf liebt und sein Handwerk beherrscht. Mit ihrer latenten Eitelkeit stehen sich viele Journalisten selbst im Weg.
UHLIG: Es gibt es unter den Journalisten viele Burnout-Fälle. Die stehen auf Platz 10. Auf Platz 9 stehen die Broker. Das wäre ja auch ein Grund zur Veränderung, oder?
BOLDT: Womöglich ist auch das der Ausdruck der unter Journalisten weitverbreiteten Wehleidigkeit und dem latenten Gefühl, irgendwie Betroffene zu sein.
UHLIG: Wie oft sind Sie gescheitert?
BOLDT: Ich scheitere ja ständig. Das gehört zum Beruf. Man bleibt unzufrieden. Ich freue mich zwar jedes Mal, wenn mir selbst ein ordentlicher Text gelingt oder wenn ich einen redigieren darf. Doch ich ärgere mich nach seinem Erscheinen, dass ich ihn nicht noch weiter verbessert habe. Aber man kann nicht jeden Tag Bestleistungen bringen. Und ich will das auch nicht idealisieren: Um das Scheitern wird ja geradezu ein Kult getrieben, seit im Silicon Valley die einschlägig bekannten Multimilliardäre auf die Idee kamen, ihren Erfolg mit ein paar Brüchen zu schmücken, um ihn verdienter wirken zu lassen, sozusagen unter Schmerzen errungen. Das ist alles eine große Inszenierung, sie gehört in den USA einfach dazu. Man muss das nicht zu ernst nehmen. Scheitern gehört zum Leben. In den USA ist es so beliebt wie überall: nämlich überhaupt nicht.
UHLIG: Sie wirken auch sehr leidenschaftlich und sehr motiviert. Woher nehmen Sie Ihre Kraft?
BOLDT: Kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht sagen. Vielleicht wird man Journalist, weil man seine Nase in Dinge stecken kann, die einen eigentlich nichts angehen?
UHLIG: Sie hatten seinerzeit die Milliardärs- und Millionärsliste mit den 500 reichsten Deutschen ins Leben gerufen. Wollen Sie das jetzt auch bei Bilanz machen?
BOLDT: Machen wir. Die ist schon im September erschienen und erscheint jetzt wieder im Herbst. Also einmal im Jahr.
UHLIG: Was sagen Sie, sind Reiche besonders erfolgreich oder was machen Reiche anders?
BOLDT: Viele haben mehr Glück, manche mehr Mut und einige geerbt. Was die anders machen? Ich glaube, das ist so ähnlich wie der Erfolg im Unternehmen. Klarheit und Einfachheit des Denkens sind gefragt. Man sollte nicht versuchen, ein Muster in den Biografien zu finden. Denn das gibt es nicht. Es gibt keine Rezepte für Reichtum oder Erfolg. Talent und Fleiß sind die halbe Miete. Der Rest sind Einfachheit, Strenge und Klarheit, das zeichnet übrigens auch gute Journalisten aus.
UHLIG: Welchen Rat zur Veränderung geben Sie, um Journalismus zukunftsfähig zu gestalten?
BOLDT: Ich möchte gar keinen Rat geben. In unserer Branche gibt es viele wunderbare und hervorragende Köpfe, die das besser können als ich. Ich bin überzeugt davon, dass der Journalismus nichts zu fürchten hat. Solange es Menschen gibt, werden sie neugierig sein und deshalb Geschichten hören wollen. Ich glaube an die Kräfte des Marktes: Medien werden untergehen, aber sie werden auch Platz schaffen für solche, die besser sind als sie. Ich bin der festen Überzeugung, dass die journalistische Qualität über Erfolg und Misserfolg entscheidet. (Fotos: Laslo Dani)
Das Interview wurde veröffentlicht in der Buchpublikation „Das agile Unternehmen – Wie Organisationen sich neu erfinden“ (Campus Verlag) von Kai Anderson und Jane Uhlig.