Selbst wenn er Halt macht, setzt er alles in Bewegung
Stattlich begrüßt er seine Gäste. Elegant führt er seine Gäste durch die Hotellobby. Sympathisch verabschiedet er sich von seinen Gästen. Das ist Hoteldirektor Moritz Klein. Ein Hoteldirektor, den man von weitem schon als Hoteldirektor erkennt: Groß, dynamisch und voller Strahlkraft. Vorhin noch stand er in der Küche, dann im Oscars, dann in der Autorenbar. Selbst wenn er Halt macht, setzt er alles in Bewegung für seine Aufgaben im Grandhotel Steigenberger Frankfurter Hof.
Komplett terminiert, hat er nur wenig Zeit für sich. Denn als Hoteldirektor ist Zeit Mangelware und für ihn ein Dauerzustand. Ständig bereit, macht das nicht müde? „Sport hält mich fit und munter. Gern würde ich mehr Zeit dafür haben. Dann laufe ich 10 km durch den Wald. Das stärkt, hält fit und es wird Fett abgebaut“, dazu Klein.
Dass er einmal Hoteldirektor sein würde, war ihm 1985 noch nicht so bewusst. Damals begann er als Page, im Kempinski „Vier Jahreszeiten“ in München zu arbeiten. Er begleitete die Gäste durch die Flure, brachte Nachrichten auf die Zimmer oder parkte Autos. Also alles, was man so macht als Page.
Dass er den Wunsch hatte, Hoteldirektor zu werden, verdankt er einem dieser kurzen und dennoch großen Momente einer Begegnung, die ihn inspirierte und niemals mehr losließ: „Nicht lange nach dem Beginn als Page kam mir auf dem Korridor des Hotels ein großer Mann schnellen Schrittes entgegen, mit Anzug und Brille. Er fragte mich, wie es mir im Hotel so ginge. Das war ganz fürchterlich. Ich war noch so jung und unerfahren. Ein fremder, meines Erachtens mächtiger Mann, stoppte mich auf dem Flur und stellte mir Fragen. Anschließend erfuhr ich, dass das der damalige Hoteldirektor, Herr Maaß, war,“ so Klein und legt schmunzelnd nach „Später, als ich dann Hoteldirektor war, habe ich ihm mal einen Brief geschrieben, um mich bei ihm zu bedanken und ihm mitzuteilen, dass er der Auslöser für meinen Werdegang war. Leider hat er diesen nie bekommen.“
Alle Gäste im Blickfeld – sitzt Klein mit einem Darjiling-Tee in der Autorenbar und erzählt über seine Karriere in der Hotellerie. Sein Bauchgefühl und viel Glück haben ihn bis heute an die richtigen Orte, Situationen und Menschen geführt. Wie auch nach seiner Lehre als Restaurantkaufmann nach London. „Ich lief gerade mit Tellern in der Hand durch das Sterne-Restaurant Walterspiel, als mein bester Freund, der mit mir gemeinsam im F&B-Service lernte – wir standen beide vor der Prüfung – zu mir kam und mich fragte, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm gemeinsam nach London zu gehen,“ sagt Klein.
Zwei Wochen später reiste er mit seinem Freund nach London. Motiviert und mit dem „Leuchtturm Hoteldirektor“ im Paket, bewarb er sich für Jobs in den schönsten Hotels, die London zu bieten hatte. Seine Messlatte war hoch und wählerisch mit dem Ziel, die luxuriösesten Hotels der Welt zu erleben. Dabei war ihm jeder Job willkommen und wichtig, Hauptsache ein Grandhotel. Drei Bewerbungen schrieb er und dreimal wurde er eingeladen.
Sein erstes Gespräch führte ihn ins Grandhotel Claridge‘s London. „Es wird auch Nebenflügel des Buckingham Palastes genannt. Mit Luxus pur empfing mich ein wunderschöner Marmorboden“, sagt Klein. Auch wenn er hier das finanziell niedrigste Angebot bekam, ließ ihn dieses luxuriöse Hotel nicht mehr los und so blieb er. Genau genommen ein Jahr. Tellertaxi nannte er seinen anfänglichen Job, bis er diesen satthatte und um eine andere Arbeit bat. Leider hatte das Management keinen anderen Job für ihn, außer nachts die Küchen zu putzen. Was der junge Klein dann auch tat.
Anschließend ging es wieder zurück nach München, zurück ins Luxushotel „Vier Jahreszeiten“. Hier wurde er vom Controller an die Hotelkasse gesetzt. Zwischendurch kurz mal Sanitäter und LKW-Fahrer bei der Bundeswehr – bis anschließend neue Abenteuer im Ausland riefen. „Es juckte mich und ich wollte unbedingt mit meinem besten Freund nach Hongkong. Also versuchte ich, diese Botschaft beim Kempinski-Management zu hinterlegen“, so Klein.
Einige Zeit später fragte man Klein, ob er Lust hätte als Night-Manager ins neu eröffnete Kempinski nach Moskau zu gehen. Das bedeutete ein Jahr Nachdienst. Für ihn kein Problem – Hauptsache Ausland.
Schmunzelnd erzählt er über seine Zeit in Moskau: „Es gab zu dieser Zeit keine Taxis, der Russe stellte sich an die Straße, hält die Hand raus, gibt dem Fahrer einen Dollar und so gelangt er zur Arbeit – à la Mafia-Privatauto. So waren damals alle in Russland unterwegs. Einmal waren wir bis fünf Uhr morgens, zu dritt unterwegs. Ein Polizeiauto mit Käfig hielt an, wir stiegen ein, saßen hinter Gittern und wurden mit Blaulicht und Sirenen nach Hause gefahren.“ Lächelnd erzählt Klein weiter, dass er und seine Freunde einmal morgens um vier Uhr, leicht angeheitert, von der Polizei mit Kalaschnikows umzingelt wurden. Sie debattierten einige Minuten und dann sagten die Polizisten: „Haut endlich ab.“ Schwelgend in Erinnerungen fügt Klein hinzu „Damals habe ich meine Frau kennengelernt. Sie arbeitete auch in dem gleichen Hotel, als stellvertretende Hausdame.“ Dass seine Frau ebenso aus der gleichen Branche kam, war sein Glück. „Denn hätte sie die Branche nicht gekannt, hätte sie es schwer mit mir ausgehalten. Hier im Hotel brauchen sie ähnlich „verrückt“ Gleichgesinnte, man verliert sämtlich Freunde, weil die Arbeitszeiten abweichend von der Norm sind“, erklärt Klein.
Abenteuer und Episoden im Ausland. Keiner kann begeisterter darüber reden, wie Klein das tut. In einer Mischung aus Neugier, die an Leidenschaft grenzt, und gutdurchdachtem Wagnis, das dem Zuhörer eine wohlige Gänsehaut bringt. 23 Jahre lebte Klein im Ausland. Viele Länder und Kulturen lernte er kennen. Vernetzt ist er mit zahlreichen internationalen Freunden. Und wenn er die Möglichkeit hätte, dann würde er es immer wieder so machen. Am schönsten lebte er in Abu Dhabi. Dort bewohnte er eine zweistöckige Villa, mit 300 Quadratmetern, Pool und insgesamt fünf Schlafzimmern. Hier vertiefte er auch seine Leidenschaft für‘s Motorradfahren. Seitdem genießt er es ein geruhsamer Freizeit-Fahrer zu sein. Keine Termine und nichts können ihn dann aus der Ruhe bringen. Hier finden seine Gedanken Stille und Frieden – hier entspannt er sich.
Auch wenn er wenig Zeit für entspannende Momente hat, hat er sich an diesen Lebensstil gewöhnt. Oft hatte er eine siebzig bis achtzig Stundenwoche und fügt hinzu, dass die Deutschen und Europäer diesbezüglich teilweise etwas verweichlicht wären. Klein erzählt von der Abwechslung, die schon immer eine Herausforderung für ihn war. Auch hätte er mal 13 Hotels einer Hotelgruppe geleitet, aber zu dieser Zeit hatte ihm das keinen Spaß gemacht, weil er nicht mehr mit so viel mit Menschen zu tun hatte. „Im Hotel bekommen sie viel zurück. Wertschätzung erfahre ich, wenn der Gast auch mal ein paar Zeilen schreibt. Und ich freue mich immer wieder über Mitarbeiter, die sich weiterentwickeln. Mitarbeiter geben viel zurück, das gibt Energie“, sagt Klein.
Gerne denkt er dabei zurück an einen Mitarbeiter als ein Hotel in Vietnam eröffnet wurde. „Damals bewarb sich ein Vietnamese als Fahrer bei uns. Schlampig und schmutzig kam er zum Gespräch, ein Zahn fehlte, die Fingernägel schwarz, aber er sprach gut Englisch. Ich sagte ihm, dass er nicht für ein Grandhotel geeignet wäre. Daraufhin bat er mich, in einer Woche noch mal wieder zu kommen. Völlig verändert stand er dann vor mir, sauber, gut gekleidet und auch die Zahnlücke war nicht mehr zu sehen“, so Klein. Mit Freude stellte er den Vietnamesen ein. Aber nach zwei Wochen kam ein Brief von den Behörden Vietnams, die ihm nicht erlaubten, als Angestellter zu arbeiten, da er im Vietnamkrieg die Amerikaner unterstützt hatte.
Klein saß auf dem Balkon, als er ihm sagen musste, dass er ihn nicht beschäftigen durfte: „Er fing bitterlich an zu weinen und ich hielt ihn in meinen Armen. Dann kam mir eine Idee: Meine Frau musste sich als Hausdame um die Sauberkeit des Strandes kümmern. Sie benötigte Hilfe dabei. Also bot ich ihm an, den Strand als freier Mitarbeiter jeden Tag zu reinigen. Hinzu kam auch noch die Gartenanlage. Später wurde er ein Geschäftsmann, kaufte sich ein Haus und stellte sogar Leute ein.“
Kleins Augen glänzen, als er diese Geschichte erzählt. Als Barmherziger betrachtet er sich jedoch nicht, aber es ist ihm wichtig, Menschen zu unterstützen, die in bestimmten Lebenssituationen nicht die Möglichkeit haben, sich selbst zu helfen. „Hier unterstütze ich gerne und selbst wenn es der Bettler um die Ecke ist“, so Klein.
Deutschland stand immer ganz unten auf seiner Liste. Dennoch war es Zeit mal wieder Europa zu erleben, dort wo alles begann, dort wo er aufwuchs und wo seine Wurzeln sind. Wurzeln, die nicht immer ganz so einfach die Erde durchdrangen. Als er zwei Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden und er wuchs gemeinsam mit seinem acht Jahre jüngeren Halbbruder bei seiner Mutter auf. „Ich habe mit acht Jahren schon viele Verantwortung übernommen. Meine Mutter trennte sich von dem Vater meines Halbbruders, als sie schwanger war, es ging auseinander. Damals lernte ich, zu erfahren, was Verantwortung bedeutete. Es war finanziell nicht immer einfach für uns. Da meine Mutter ganz früher als Model arbeitete, legte Sie großen Wert auf Stil und Etikette“, so Klein.
Der Umzug nach Deutschland war eine große Umstellung. „Auch wenn mich immer wieder das Ausland rief, bin ich froh, wieder in Deutschland zu sein. Mir war es wichtig, dass meine beiden Söhne Julius und Jonathan, 15 und 17 Jahre alt, europäische Verhältnisse kennenlernen und auch ich musste mal wieder europäische Gefilde mit all meinen Sinnen berühren, riechen und sehen.“
Wenn die Freiheit ruft, begibt er sich in schwindelerregende Höhen. Als Hobby-Pilot fällt ihm das nicht schwer. Dann geht’s auf den Egelsbacher Flughafen. Mit Jeans und Turnschuhen geht es dann bequem gen Himmel.
Es ist Zeit. Klein schaut auf die Uhr. Elegant, stattlich und sympathisch verabschiedet er sich. Und dynamisch mit großen Schritten bewegend, verlässt er die Autorenbar: Bereit für die nächste Bewegung. Bereit für neue Abenteuer. Bereit für weitere Gefilde. (von Jane Uhlig)
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