2017 wurde der Arbeitgeberverband HessenChemie stolze 70 Jahre alt. In dieser langen Zeit ist viel passiert – es hat sich viel verändert. Unter anderem wurde unsere Welt zunehmend vernetzter und das Thema Digitalisierung immer bedeutsamer. Der Einsatz von „smarten“ Endgeräten und „intelligenten“ Maschinen wirkt sich auch auf unsere Arbeitswelt aus. Diskussionen um die neuen Anforderungen an Unternehmen und Beschäftigte bestimmen immer häufiger unseren Alltag. Natürlich hat die Digitalisierung auch die HessenChemie erreicht. Bei den Wiesbadener Gesprächen 2017 im Kurhaus Wiesbaden war sie Thema der Veranstaltung. Unter dem Motto „Vernetzt. Gehetzt? Wertgeschätzt! – Anforderungen an die Arbeit in der digitalisierten Industrie“ diskutierten Experten aus Wissenschaft, Unternehmen, Gewerkschaft und Verbänden.
Der Arbeitgeberverband HessenChemie hatte am 24.10 zu den 12. Wiesbadener Gesprächen zur Sozialpolitik unter dem Titel „Vernetzt. Gehetzt? Wertgeschätzt!“ eingeladen. Der digitale Wandel und dessen Auswirkungen auf die Arbeitswelt war Thema der diesjährigen Wiesbadener Gespräche. Nach einigen spannenden Vorträgen, diskutierten vor den rund 200 Gästen Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und Unternehmen im Kurhaus der Landeshauptstadt über das brisante Thema. Danach wurde das 70 jährige Jubiläum des Verbands in würdigem Rahmen gefeiert.
Prof. Dr. Heinz-Walter Große, der Vorstandsvorsitzende der HessenChemie war erster Redner des Tages. Er erklärte, dass Digitalisierung kein kurzfristiger Trend sei, sondern ein Prozess kontinuierlicher Weiterentwicklung in allen Unternehmensbereichen. Digitale Innovationen und neue Geschäftsmodelle könnten dabei den Standort und die internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken. Er betonte: „Der technologische Fortschritt bietet auch neue Chancen für gute Arbeitsplätze. Hier müssen wir gemeinsam mit dem Sozialpartner immer wieder passende Lösungen finden und die richtigen Rahmenbedingungen setzen,“ so der Vorstandsvorsitzende. Dr. Große beendete seine Rede mit den Worten von Aristoteles: „wir können nicht den Wind ändern aber wir können die Segel in die richtige Richtung ausrichten.“
Nach Große begeisterte Prof. Dr. Jan Leimeister, der Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsinformatik der Universitäten St. Gallen und Kassel das Publikum mit aktuellen Trends und Tatsachen zum Thema „Digitale Transformation, digitale Arbeit und die Herausforderungen für Management und Belegschaft.“ Er betonte, dass neue Arbeitsmethoden wie etwa Crowd Sourcing heute beinahe selbstverständlich geworden sind. Smarte Produkte, Automatisierung und User Experience seien wichtige Schlagworte mit denen sich Unternehmen heute auseinandersetzen müssten.
Aktuelle Studienergebnisse zum Thema
Um die Wichtigkeit der Digitalisierung in der Branche hervorzuheben, stellte Dr. Hans-Peter Klös, Geschäftsführer IW Köln die Ergebnisse einer aktuellen Branchenstudie vor. Die Studie zeigt, dass das Thema inzwischen auch bei den Mitgliedsunternehmen an Bedeutung angekommen ist. Ungefähr 90 Prozent der befragten Unternehmen halten das Thema für wichtig – vor allem in Bezug auf ihre Wettbewerbsfähigkeit. Für die vorliegende Studie zur Digitalisierung in der chemischen Industrie beauftragte der Arbeitgeberverband HessenChemie das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) mit einer Befragung seiner Mitgliedsunternehmen. Das erstaunliche Ergebnis: Bereits 88 Prozent der befragten Unternehmen befassen sich mit Themen Digitalisierungsthemen, über ein Drittel sogar intensiv.
Typische Merkmale eines digitalisierten Unternehmens sind für 92 Prozent der Befragten eine flexible, flotte und zuverlässige Verfügbarkeit von Produkten und Dienstleistungen für ihre Kunden. Beinahe ebenso wichtig sind gute Vernetzung mit Lieferanten und Kunden und für rund 70 Prozent auch individualisierte Produkte. Als „typische“ Digitalisierungstreiber gelten die Bereiche Personal und Logistik. Vor allem für diese Bereiche können durch die Digitalisierung viele Arbeitsprozesse erleichtert werden. Etwa durch eine effiziente Vernetzung der Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette, eine digitale Echtzeit-Kommunikation mit den Kunden und einer daraus resultierenden Just-in-time Zulieferung.
Sowohl die Führungskräfte als auch die Arbeitnehmer nehmen im Digitalisierungsprozess eine wichtige Rolle ein. Ihre Kompetenzen haben sich jedoch stark verändert. Trotz des digitalen Fortschritts, benötigt die chemisch-pharmazeutische Industrie in Hessen auch zukünftig qualifizierte Fachkräfte wobei sich vermutlich die Kompetenzanforderungen noch weiter verändern werden. Die Ausgangslage für die Branche sei allerdings gut, erklärte Klös, denn die befragten Unternehmen verfügen über hoch qualifiziertes Personal. „Das Engagement der befragten hessischen Unternehmen bei Personalentwicklungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ist bereits heute größer als in der Gesamtwirtschaft„, so Dr. Klös.
Hauptgeschäftsführer der HessenChemie, Dirk Meyer erklärte in seinem Vortrag die befragten Unternehmen hofften in erster Linie auf eine Flexibilisierung der Arbeitsprozesse. Möglich wäre dies aber nur durch Einbeziehung der gesamten Belegschaft. Da die Arbeit zunehmend immer unabhängiger von Ort und Zeit organisiert werden kann, bestehe auf allen Seiten eine große Veränderungsbereitschaft. Auch die Führungskräfte müssten umdenken und sich von Anweisern und Kontrolleuren zu Motivatoren und Coaches für ihre Mitarbeiter entwickeln. Zwei Drittel der befragten Mitgliedsunternehmen verstehen laut Studie die Führungskräfte als Impulsgeber für neue Ideen. Vor allem sollte man hierbei nicht vergessen, dass der Digitalisierungsprozess mit immer älteren Belegschaften organisiert werden müsse. Etwa die Hälfte der Unternehmen setze dabei erfolgreich auf das Potenzial altersgemischter Teams. „Das hohe Qualifikationsniveau der innovationsgetriebenen Chemieindustrie ist eine gute Voraussetzung für die Digitalisierung der Unternehmen. Routinetätigkeiten würden allerdings unter Veränderungsdruck geraten,“ betont Meyer. Das Berufsbild in der Chemiebranche werde deshalb aktuell untersucht, um es effektiv weiterentwickeln zu können.
Nach einer kurzen Kaffeepause fand im zweiten Teil der Veranstaltung eine Podiumsdiskussion statt. An der Diskussion nahmen Dr. Bettina Wolf, Geschäftsführerin operativ der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit, Matthias Schirrmacher, Program Lead Industry 4.0 / Digitalization-Merck Darmstadt goes digital, Dr. Emmanuel Siregar, Geschäftsführer Personal und Organisation Sanogi-Aventis Deutschland GmbH, Volker Weber, Landesbezirksleiter IG BCE Hessen-Thüringen und Hauptgeschäftsführer der HessenChemie, Dirk Meyer teil
Die abschließenden Worte übernahm Prof. Dr. Friedrich Huber Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Er sprach zum Thema „Schöne neue Welt“ – Berufsbildung in Zeiten der Digitalisierung.
Rahmenprogramm und 70 Jahrfeier
Abrundet wurde das Programm vom Autor und Slam Poeten Bleu Broode. Er hatte das das Thema witzig-spritzig poetisch aufbereitet und brachte es wortgewaltig in atemberaubender Geschwindigkeit dar.
Anlässlich ihres 70-jährigen Bestehens lud die HessenChemie im Anschluss an die Wiesbadener Gespräche zu einem Empfang in den Wintergarten des Kurhauses.
Text: Dr. Lydia Polwin-Plass
Fotos: Dr. Lydia Polwin-Plass